Stefans Abenteuer im Land der fehlenden Berge und in der Physik
Über mich
StefanIch bin seit Juni 2007 Doktorand an der TU Delft, Niederlande. Neben (theoretischer) Physik interessiere ich mich für Politik, Bücher aller Art und Radfahren. Für weiteres, siehe meine Homepage.

Mittwoch, 10. November 2010

Zum Glück Naturwissenschaftler!

Gerade stolpere ich bei Spargel Online über einen Artikel über die Uni Konstanz: Die Uni-Bibliothek (als vielgereister Kritiker von Universitätsbibliotheken immer noch meine liebste) ist bis auf weiteres geschlossen -- asbestverseucht ist sie (siehe Spargel Online hier, Südkurier hier, da, dort und dort). Als langjähriger Bewohner der naturwissenschaftlichen Bibliothek wusste ich schon immer, dass "unsere" Bib die schönere Bibliothek in Konstanz war. Und jetzt kommt noch ein weiterer Grund dazu: die Luft in der N-Bib ist wohl gesünder -- denn dort wurde (noch?) kein Asbest gefunden.

In Konstanz gab es immer das Gerücht, es gebe Exkursionen der Architekturstudenten von der FH an die Uni, um zu studieren, was so gebaut wurde wie es eigentlich nicht gebaut werden hätte sollen bzw. dürfen. Falls es in der Tat solche Exkursionen gibt, kann nun ein weiterer Programmpunkt hinzugefügt werden: Asbest in der Bibliothek verbauen ist keine gute Idee -- außer man will ein paar Jahrzehnte später alle Bücher abstauben. Und bei zwei oder so Millionen kann das eine Weile dauern.

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Wirtschaftliches Argument


(von xkcd.com).

Also, wenn die Sonne um die Erde.... Oder: päpstlicher als der Papst

Eigentlich war ich ja immer ein bisschen neidisch auf die Biologen: Diese bekommen ja hin und wieder (unerwünschte) Aufmerksamkeit durch religiöse Fanatiker, die die Evolutionstheorie aus dem Biounterricht verbannen wollen (Stichwort: Intelligent Design, alternativ kann man sich auch via PZ Myer's Pharyngula Blog weiterbilden..). Und wir Physiker? Nichts. Zumindestens nicht in den letzten 250 oder so Jahren. Das ändert sich jetzt jedoch. Denn nun gibt es

Galileo was Wrong. The church was right: First annual conference on geocentrism.
eine Konferenz, die übernächste Woche irgendwo in Indiana stattfinden soll. Wenn ich nichts besseres zu tun hätte, würde ich doch glatt dorthin gehen. Wobei, irgendwie sieht mir die Webseite eher aus wie eine lausig gemachte Werbeseite für ein Buch. Wohl zum Buch gehört dieses Statement:
Galileo Was Wrong is a detailed and comprehensive treatment of the scientific evidence supporting Geocentrism, the academic belief that the Earth is immobile in the center of the universe. Garnering scientific information from physics, astrophysics, astronomy and other sciences, Galileo Was Wrong shows that the debate between Galileo and the Catholic Church was much more than a difference of opinion about the interpretation of Scripture. Scientific evidence available to us within the last 100 years that was not available during Galileo's confrontation shows that the Church's position on the immobility of the Earth is not only scientifically supportable, but it is the most stable model of the universe and the one which best answers all the evidence we see in the cosmos.
So, dieses Buch ist eine detaillierte und umfassende Darstellung der wissenschaftlichen Indizien für Geozentrismus (d.h. dass die Sonne um die Erde....). In diesem Fall wird es ja ziemlich kurz sein. Oder wie erklären es die Autoren, dass wir es mit einem vollkommen falschen Modell geschafft haben, die Bahnen von Raumsonden zum Rande des Sonnensystems auf Jahre im voraus korrekt zu berechnen? Und sonstige "Details", die die moderne Urknalltheorie bestätigen (Hubble Rotverschiebung und kosmische Hintergrundstrahlung anyone?), richtig hinzutricksen. Aber nun ja, was soll man auch in einem Buch über angebliche Wissenschaften erwarten, dessen Hauptautor nur einen Doktor in Theologie hat. Aber sei's drum.

Wenn man sich dann die Vortragsthemen für die Konferenz anschaut, weiss ich nicht, ob ich laut lachen oder mich vor Horror irgendwo verkriechen soll -- "Geocentrism. They know it but they're hiding it" hört sich ja noch nach klassischer Verschwörunstheorie an. Sicher: wir Wissenschaftler sitzen auf einem Berg von Beweisen, die auf ein Geschaffen-in-Sieben-Tagen-Sonne-dreht-sich-um-Erde-Universum hindeuten, aber wir veröffentlichen sie nicht um uns weiterhin Forschungsgelder zu sichern... Oder: "Scientific evidence: Earth in the center of the universe", "Carbon 14 and radiometric dating show young earth"... Da bleibt ja nichts aus dem Gruselkabinett der Pseudowissenschaften ausgespart.

Das ist ja so 1999

Dass es noch so etwas gibt: Gerade taucht bei mir im Postfach eine Email mit Betreff "FW: Fwd: WG: Fwd: FW: WG: WG: WG: unbedingt weiterleiten/kein scherz" auf -- wohl mal wieder ein Internetkettenbrief. Schon lange keinen mehr bekommen -- liegt wohl an meinem ziemlich stark ausgeprägten Emaillöschreflex. Oder auch daran, dass Internetkettenbriefe doch etwas stark nach 1999 riechen. Nun ja, neugierig bin ich mal. Also:

Normalerweise sende ich keine Nachrichten dieser Art, aber diese Nachricht kommt von einer sehr guten Freundin meiner Freundin, diese ist Anwältin und es scheint eine interessante Möglichkeit zu sein. Wenn Sie sagt, dass es funktioniert, dann funktioniert es auch. Jedenfalls kann man nichts dabei verlieren.
Also, wer erst einmal einen Absatz braucht um darzulegen, warum die Nachricht die wohl darunter irgendwo dann mal auftauchen soll wichtig ist, hat ja sowieso schon mal verloren. Zweitens, die gute Freundin meiner besten Freundin von jemandem, dessen Email an mich weiterweiterweiterweitergeleitet wurde, ist ja nicht wirklich eine Autorität auf die man hören muss. Und eine Anwältin ist ja auch keine Expertin fürs Internet -- was ja allein schon durchs weiterleiten dieser Nachricht bewiesen wurde. Und zum Thema "guter Freund eines Freundes": Mehrere gute Freunde von guten Freunden hatten ein Essay zum Thema "Was ist Mut?" in der Schule zu schreiben. Ihr jeweiliges Essay in voller Länge: "Das ist Mut." Seltsamerweise sind diese guten Freunde von guten Freunden jeweils in Deutschland, den Niederlanden und in den USA zur Schule gegangen. Ob die Schulbehörden voneinander abschreiben? Nun ja, genug abgeschwuffen. Weiter mit der Email:

Folgendes hat sie [wohl diese internetversierte Superanwältin, nehme ich an] mir erzählt: Ich bin Anwältin und ich kenne das Gesetz [wieder, Berufung auf total irrelevante Qualifikationen -- ich bin Physiker, Gehirnoperationen kann ich trotzdem immer noch nicht ausführen]. Das ist eine Tatsache. Täuscht euch nicht, AOL und Intel halten ihre Versprechen aus Angst, vor Gericht gebracht und mit Forderungen in Millionenhöhe konfrontiert zu werden.

Liebe Freunde, haltet dies bitte nicht für einen dummen Scherz.

Bill Gates verteilt gerade sein Vermögen. [Bravo! Das stimmt: Bill and Melinda Gates Foundation] Wenn ihr darauf nicht reagiert, könnte es Euch später leid tun [Oha, jetzt wird schon ein bisschen gedroht]. Windows ist noch immer das am häufigsten
genutzte Programm [für was? Viren?]. Microsoft und AOL[vorher war noch von Intel und AOL die Rede. Was nun?] experimentieren gerade mit diesem per e-Mail versandten Text (e-mail beta test) Wenn ihr diese Mail an Freunde versendet, kann und wird Microsoft zwei Wochen lang euren Spuren folgen. [hehe, nicht mit mir.. TuX rules!] Für jede Person, die diese Nachricht versendet, zahlt Microsoft 245 Euro. Für jede Person, der ihr diese Nachricht geschickt habt und die sie weiterleitet, bezahlt Microsoft 243 Euro. Für die dritte Person, die sie erhält, bezahlt Microsoft 241 Euro. [wow, die Vergütungen sind gestiegen! Vor zehn Jahren gab's angeblich 10 Mark pro Mail... Diese elendige Inflation..]

Nach zwei Wochen wird sich Microsoft mit der Bitte um Bestätigung der Postanschrift an Euch wenden und euch einen Scheck schicken.

So, in der Email kommen jetzt noch ein paar herzerwärmende Geschichten, wieviel Kohle man mit diesem tollen E-Mail-Beta-Bill-Gates-spendiert-einen-Test verdienen kann. Aber das übergehe ich mal. Sei nur erwähnt: Tante Patrizia der guten Freundin der besten Freundin von jemandem, dem diese Email weiterweiterweiterweiterweiterweitergeleitet wurde bekam angeblich 4324,43 Euro. Woher die Centbeträge bei den runden Beträgen pro Email kommen, weiss ich jetzt auch nicht. Kann man etwa Bruchteile einer Email versenden? Hm, falls ja, muss ich mal nachschauen, wie man das macht.

Mittwoch, 1. September 2010

Fahrkartenkauf leichtgemacht

In den letzen Wochen durfte ich mehreren Kollegen und Freunden hier die Vorzüge des Tarifssystems der Deutschen Bahn erklären, weil sie dringend zu Konferenzen nach Bonn mussten oder das Bedürfnis haben, die Wunder des Ruhrgebiets bzw. Berlins für wenig Geld zu erkunden. Was nun folgt, ist sozusagen der "director's cut -- extended edition" der Erklärung:

People who champion complicated tasks, are usually admired by their contemporaries. Neurosurgeons, for example, manage to poke around your brain without (at least on their good days) messing you up too much -- a task, the less motorically gifted among us completely suck at. Therefore we admire those who champion it. On a similar footing we should admire those people who have a grasp of the fare system and ticket machines of Deutsche Bahn, Germany's railway company -- not because buying a ticket requires outstanding motorical skills, but because you need to complete a decision tree of astounding complexity in order to do so.

Buying a train ticket sounds simple enough: You just have to know where you want to go when. Well, that's not even half of the story -- at least in Germany at ticket machines. Do you happen to have a 25 per cent discount card for second class? Or a 25 per cent discount card for first class? Or the 50 per cent discout card for either first or second class? No? So maybe you have
a 100 per cent reduction card? And while we are at it: What kind of train do you want to take? The regional IRE, S or RE trains, some intercity or eurocity train, or even the highspeed ICE train? Do you want to leave now, today or somewhen else? Oh, and by the way, do you need a connecting ticket for public transport at your destination? And last but not least, are you interested in collecting bonus points? And finally: How do you want to pay? Cash? Credit or debit card? Or you want to be billed via your discount card? If cash, be advised that most ticket machines only accept bills worth 20 Euros or less, and even those only very reluctantly. Plus, all change is given in one Euro coins or less -- you'll win a checkpot! Well, that was just to give you a flavor how it is to buy a simple train ticket at a machine in Germany.

But we haven't even scratched the surface. Take for example a bike with you. After going through with selecting your flavour of discount card, destination and favourite train type, you end up with a ticket for you, but not a ticket for your bicycle -- those are found in a very obvious location: Select "Special Tickets", then "Regional Tickets" followed by "Leisure time tickets" or something similar outrageous in the main menu. Crazy isn't it? Or another thing: In many areas all public transport (trains, buses, subway, donkeys..) are integrated into some regional public transport network. That means, that while outside the area of whatever public transport in question you can buy a ticket from every place in the network's area to any other, you can't while you are in it. Then, the ticket machines will still collect all information (25, 50 or 100 per cent discount card for either first or second class, a desire for bonus points, the works) in order to inform you just when you get ready to pay that you are not at the right machine. The ticket machine for your local public transport network is somewhere else -- usually in some remote, damp corner of the trainstation.

But that's still not enough. The real fun starts, when you try to safe money by looking for special offers. You can safe tons of money by buying tickets which are restricted to specific connections. However, the logic according to what connections are cheaper cannot be the human one. Take for example a trip from my hometown Friedrichshafen to Cologne. The simplest way is taking the
daily intercity and six hours later you are there. But last time I took this route, I got hold of a cheaper special ticket by leaving my hometown five minutes after the intercity in a regional train, changing after an hour in Ulm to some random intercity and finally change again in Stuttgart (the next stop after Ulm) to the intercity that has just left my hometown five minutes before me (why a connection involving a regional train that stops in every village on the way is faster than an intercity on the same itinerary is yet another thing that baffles me). Summary: five minutes travel time and almost half of the full price saved for the price of two changes. But one can even save more money, if one is masochistic enough to limit ones journey to regional trains only. Because then, you also have the option to buy flat fee tickets (the mysterious Schöne-Wochende-Ticket and Länder-Tickets) and then travel all day long or till you can't take it any more -- in my experience, the former usually comes first.

So let me slowly stop. I guess I have sufficiently demonstrated, that making the right decision when it comes to buying the right train ticket in Germany, it takes at least the intellectual capability of a moderately intelligent genius. If you don't have that capabillity, you either pay too much, spend hours in front of the ticket machine or are kicked out of the train by German railway's friendly staff for having a ticket but not quite the right one. Wonder why I still love taking trains -- either I am just a masochist and don't want to miss out on that experience or I love the intellectual challenge of going through the ticket acquisition process, which is a welcome change from the theoretical physics I do every day.

P.S.: An niederländischen Automaten kriegt man sein Ticket innerhalb von 30 Sekunden: Einfach oder Rückfahrticket, Ziel, Klasse, Bonuskarte ja/nein und Zahlungsmethode in einem einzigen Schirm auswählen, PIN eingeben und fertig. Es geht also.

Montag, 12. Juli 2010

Wereldkampioen? Niet 2010.

Erklärung: Dieser Artikel erscheint trotz schärfster Einwände meines PR-Beraters: Buchstäblich jahrzehntelang war Fussball-Ignoranz ein fester Bestandteil meines Images. Daher hätte ich eigentlich gestern abend genau das tun sollen, was ich bei den übrigen Spielen getan habe. Nämlich: Alles, ausser Fussball schauen. Daher ist das, was nun folgt, nicht als Beginn eines angestrebten Imagewandels zu verstehen, sondern vielmehr als Beichte eines einmaligen Ausrutschers, den ich auch zutiefst bereue (auch wenn es mir keiner glaubt: wirklich!).

Die Niederlande sind im Finale! Für alle in Deutschland, die noch vor vier Jahren "Ohne Holland fahrn' wir nach Berlin" gesungen haben, mag das ein Schock gewesen sein. Für mich hier in Delft hat das bedeuted, noch ein paar Tage länger in einer Umgebung mit viel zu vielen orange gekleideten Menschen zu leben. Einer meiner Nachbarn hatte eine riesige orange Fahne mit "Hup! Hup! Holland!" im Fenster hängen, ein anderer hat das Geländer in unserem Haus kunstvoll mit Wimpeln verziert (um nicht zu sagen: verpackt). Und an der Uni war die WM Kaffepausengesprächsthema Nummer eins.

Da anscheinend keine Ausreden gültig war, das Finale nicht anzuschauen, "musste" ich mich wohl oder übel mit ein paar Freunden auf dem Marktplatz treffen. Unser Plan, eine Stunde früher am Markt zu sein, um noch einen Sitzplatz in einem der vielen Cafes zu erwischen, war natürlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt -- alle Sitzplätze belegt, wohl von Leuten, die schon seit dem Morgen hier waren. Daher also: Stehen, in siebter Reihe oder so. Nun gut. Dankenswerter weise hat Francois einen holländische Fanhut mitgebracht, so dass ich doch nicht der einzigste un-orangene bin:


Kurz vor dem Anpfiff, die erste neue Erkenntnis dieser anthropologische Feldforschung: In den Niederlanden steht man vor dem Spiel auf und singt die Nationalhymne -- auch wenn man eigentlich nur Fernseh schaut. Zum Glück aber hat sich wohl die FIFA damit begnügt, nur die erste Strophe abzuspielen, denn sonst wäre das Spiel wohl etwas später losgegangen. Denn: nach Wikipedia hat "Het Wilhelmus" 15 (!) Strophen. Da wären wir wohl um neun noch nicht fertig gewesen.

Zum Spiel, oder besser gesagt zu den Fans, die das Spiel angeschaut haben: Bekanntlich leiden Fans ja unter einem Realitätsverlust. So auch in Delft: Da pflügt ein niederländischer Spieler seinen spanischen Gegner in Grund und Boden, und der Schiri hat dann die Frechheit, doch tatsächlich eine gelbe Karte zu zeigen. Dabei weiss doch jeder (zumindestens in Delft auf dem Marktplatz), dass das doch alles grundehrliche Jungs sind, die nun eben mit einem schlecht gelaunten, blinden, herzlosen Schiedsrichter gestraft sind. Aber als der Wind eines vorbeieilenden spanischen Spielers nur das Trikot eines Oranje bewegt, da schrien tausend Kehlen "rood!". Natürlich waren alle Zuschauer hier auch die besseren Schiedsrichter.

Die fiale Erkenntnis meiner Feldforschung: Den Weltmeisterpokal in den Händen der Spanier zu sehen, scheint den meisten Holländern physischen Schmerz zu bereiten. Denn kaum war der Schlusspfiff ertönt, da schaltete der Wirt in unserem Cafe mit einem "Das kann ich mir beim besten Willen nicht ansehen"-Ausdruck auf dem Gesicht den Fernseher aus. Auch unser Versuch im Nachbarlokal weiterzuschauen fand ein vorzeitiges Ende -- hier war es ein Gast, der den Stecker zog.

Jetzt bin ich noch gespannt auf meine beiden Mitbewohner (sind gerade im Urlaub bzw. auf Praktikum). Denn der eine ist Spanier, der andere Holländer. Mal sehen ob die noch miteinander reden...

Samstag, 10. Juli 2010

Visitenkarten mit LaTeX

Achtung, also jetzt kommt etwas sehr nerdisches: Wie bastle ich mir eine Visitenkarte mit LaTeX? Man nehme einen Abend Zeit, ein bisschen Erfahrung mit dem TikZ-Paket (ist seit einiger Zeit mein Lieblings LaTeX Grafikpaket) und ein bisschen Muße, sich in die Paketprogrammierung einzulesen. Heraus kam dann ein Paket, das Visitenkarten wie diese (für meinen alten Freund Sokrates) produzieren kann:Sieht gut aus, oder? Also, wer Lust hat, kann sich den Sourcecode herunterladen und damit herumspielen. Im Angebot wären folgende Quelldateien:
  1. sbcard.ins
  2. sbcard.dtx
Die Installation ist einfach: Kopiere sbcard.ins und sbcard.dtx in ein Verzeichnis, führe einmal "latex sbcard.ins" aus. Dies produziert die Dateien sbcard.sty (die Paketdatei), sbcard_doc.tex (die Dokumentation, wer nicht den Quelltext lesen will, kann sie ja nochmal durch LaTeX jagen..), example.tex (das Beispiel) und zwei Hilfsdateien mit der Endung *.card. Viel Spass beim TeXen!


Montag, 5. Juli 2010

Unterhaltung der seltsamen Art

Eine ZEIT zu kaufen ist eigentlich nichts, worüber es sich lohnt, zu schreiben -- mach ich ja (fast) jede Woche. Dieses mal jedoch kam es dabei zu einer Unterhaltung der etwas seltsamen Art. Die Titelgeschichte diese Woche ist ja "Rettet die deutsche Sprache!". Wie ich also in Friedrichshafen so meine ZEIT kaufe, wirft die Verkäuferin einen Blick auf die Titelseite und bemerkt, "es wäre doch wirklich Schade, wenn das Deutsche verschwinden würde". Meine Antwort war wohl eher in die Richtung, dass es doch etwas arg übertrieben sei (nach meiner Erfahrung: je mehr Sprecher eine Sprache hat, desto besessener sind dieselbigen von der Angst, Englisch könnte ihre Sprache verdrängen). Nun, im Schnelldurchgang erörtern wir, ob nun Englisch in der Tat eine häßliche ("diese Kaugummisprache, einfach gräßlich", so die Verkäuferin) oder doch eine schöne Sprache ist (meine bescheidene Meinung). So weit ein typischer Smalltalk am Zeitungskiosk. Doch dann wechselt die Verkäuferin plötzlich das Thema: Ob ich denn wüsste, dass Gott einem Menschen innerhalb einer Sekunde eine neue Zungensprache beibringen könne? Aha.... nein, wusste ich nicht. Mein heftiges Augenrollen und mehr als unenthusiastische Antwort hält sie jedoch nicht ab, fortzufahren. Also Gott hätte ihr die Sprache von Mekka beigebracht, und jetzt würde sie immer zu den Türken (wohl in die Häfler Moschee?) zum missionieren gehen -- noch mehr Augenrollen meinerseits, langsam bereite ich den Rückzug zum Fahrrad vor. Die Bemerkung, dass Arabischkenntnisse bei Unterhaltungen mit Türken in etwa so sinnvoll sind, wie profunde Finnischkenntnisse bei Unterhaltungen mit Italienern spar ich mir. Während ich mich aufs Rad schwinge, bekomme ich auch noch eine Demonstration der "Zungensprache von Mekka": "allasod quodifadf dkjfweow" oder eine ähnliche zufällige Abfolge von Konsonanten und Vokalen. Oh Mann, dass es solche Leute tatsächlich gibt...

Montag, 21. Juni 2010

Wo komm ich her?

Vor ein paar Wochen hatte ich das Vergnügen, in der Jugendherberge in Aachen zu übernachten (der eigentliche Grund war, dass ich am nächsten Tag von Aachen nach Bonn radeln aber nicht schon morgens um fünf zum Zug hetzen wollte). Und wie es so ist, man trifft dann irgendwann auf seine
Zimmergenossen und manchmal ergibt sich eine nette Unterhaltung. So auch in Aachen. Mein Zimmergenosse war ein Franzose (den Namen habe ich inzwischen schon wieder vergessen..) und wir reden einige Zeit darüber, wo wir herkommen und so weiter und so weiter. Nach einiger Zeit bemerkt er dann (wir haben uns auf Deutsch unterhalten), mein Deutsch wäre ja sehr gut, ich könnte ja beinahe für einen Muttersprachler durchgehen. Danke für das Kompliment, Hochdeutsch ist ja in der Tat meine erste Fremdsprache, meine Muttersprache ist ja tiefstes Oberschwäbisch (das kann ich sogar anhand historischer Tonbandaufnahmen belegen). Aber eigentlich ist das Problem ja ein ganz anderes: Auf seine Frage, wo ich herkomme, habe ich ohne viel Nachzudenken "Delft, liegt bei Den Haag" geantwortet. Stimmte ja auch in wahrsten Sinn des Wortes. Aber ist es auch "zu Hause"? Jein. Wenn ich in Delft Freunden von irgendwas "back home" erzähle, meine ich Friedrichshafen. Aber wenn ich in Friedrichshafen bin, meine ich mit "daheim" natürlich Delft. So weit, so konfus. Wobei wir uns jetzt in Delft (die meisten meiner Freunde haben ja das gleiche Problem) eine semantische Brücke gebaut haben: wir unterscheiden "home" und "home home" -- ersteres wäre Delft, letzteres (in meinem Fall) eine gewisse Metropole 1000 km rheinaufwärts.

Freitag, 21. Mai 2010

Langweilig

Ob nun Bela, Farin, Rod wirklich Gott sind, bleibt dahingestellt (ich persönlich bin in dieser Hinsicht Agnostiker). Aber zumindestens prophetische Fähigkeiten haben die Drei. Denn ihr Song "Langweilig" beschreibt meine gegenwärtige Situation ziemlich treffend:


Ich sitze auf meinem Stuhl und ich schaue aus dem Fenster, [Sicht, je nach Smog: 5km oder 0 Meter]
und ich stell' mir wieder mal die alten Fragen: Wo komm ich her? [ Delft oder Friedrichshafen?] Wo geh' ich hin? [bald zurück nach Delft, aber dann?] Und wie viel Zeit werd' ich noch haben? [die Antwort hier ist klar: Noch 370 Tage bis zum Ende meines Vertrages]
Ich denke nach über die Welt,
über das was wirklich zählt. [Physik, was sonst?]
Ich weiß genau, was mich so quält. [leider auch die Physik -- denn als Wissenschaftler ist man ja auch immer ein bisschen Masochist]




Ich bin genervt, ich bin frustriert, [wieso wollte mir die Mathematik heute partout nicht gehorchen?],
weil hier einfach nichts passiert, [gucke zum Zweiten mal Staffeln 1-3 von The Big Bang Theory]
weil hier nie etwas passiert. [kein großes Nachtleben in der Nähe meines Wohnheims -- wenn man mal vom Autoverkehr vor meinem Fenster absieht]
Und ich schau wieder auf die Uhr. [Mist, immer noch nicht Zeit, ins Bett zu gehen]



[Und daher:] Mir ist langweilig,
sterbenslangweilig,
mir ist langweilig,
ohne Dich, ohne Dich.
Scheiße langweilig,
mir ist langweilig,
so stinklangweilig,
ohne Dich, ohne Dich
ist mir langweilig.



Sieben Wochen in China! Shanghai! Und das als Dienstreise als gemeiner Doktorand hört sich großartig an und ist es auch. Aber es hat auch eine langweilige Seite: Denn was macht man jeden Abend, nachdem man in sein karg möbliertes Zimmer im Wohnheim zurückgekehrt ist, es aber noch nicht Zeit ist ins Bett zu gehen? Genau: Nichts. Nach vier Wochen hier, haben Fatemeh, meine aus Delft mitgebrachte Kollegin, und ich sämtliche Anekdoten aus unseren Leben gegenseitig erzählt. Politik und Geschichte unsere Herkunftsländer sind ausführlichst diskutiert und sowohl mit den Niederlanden als auch China verglichen worden. Die Shopping Mall in der Nähe ausführlichst erkundigt -- nicht, dass ich etwas bräuchte. Und nun hat die abendliche Langeweile einzug gehalten. Ich schaue mich zum wiederholten male durch "The Big Bang Theory", erkundige die exotischeren Teile meiner Musiksammlung (Erkenntnis: Lou Reed ist gar nicht so schlecht), schaue aus dem Fenster und langweile mich, bis es Zeit ist ins Bett zu gehen. Das wäre jetzt.

Dienstag, 20. April 2010

Jahr ohne Sommer

Dank des Vulkans mit unaussprechlichem Namen (oder wer kann Eyjafjallajökull ohne Zungenverrenken aussprechen?) steckt meine Mitbewohnerin gerade in Stockholm fest, ein Kollege auf Capri und mein Doktorvater in seinem Büro -- eigentlich sollte er auf einer Konferenz in den USA sein. Schon Interessant, wie so ein Vulkan so großräumiges Chaos anrichten kann.

Allerdings ist dieses gegenwärtige "Vulkanproblem" doch eher ein kleines -- egal wieviel Reisende jetzt auf Flughäfen festsitzen. So hatte zum Beispiel 1815 der Ausbruch eines Vulkans in Indonesien (für die Geographiexperten und Atlasfetischisten: Tambora) viel gravierendere Folgen: Einen "vulkanischen Winter" oder eben ein Jahr ohne Sommer. Auf Wikipedia (Autor Giorgiogp2)findet man zum Beispiel diese Karte der Durchschnittstemperaturen 1816 im Vergleich zum langjährigen Mittel:



Zwei oder drei Grad mögen sich nicht viel anhören, aber Schnee bis in die tiefen Lagen im Sommer und damit verbundene Missernten hören sich schon weniger lustig an. Ein weiterer Nebeneffekt des Jahres ohne Sommer war dann auch 1817 -- damals schmolz ja praktisch der Schnee zweier Winter in den Alpen -- der höchste jemals gemessene Wasserstand im Bodensee: 636 cm, fast 70 cm mehr als beim großen Hochwasser 1999 (565 cm, der mittlere Wasserstand liegt bei 341 cm, siehe auch hier) -- und damals, das kann ich bezeugen, konnte man knietief im Wasser stehend den Badesteg im Häfler Strandbad hinauswaten.

Sonntag, 14. März 2010

Russel, Cantor, Gödel und Kollegen

Comics sind nur etwas für Kinder. Alle Comics? Nein, denn man kann ja auch komplexere Geschichten als gallisches-Dorf-verprügelt-Römer erzählen. So erzählt zum Beispiel Logicomix die Geschichte, wie die Grundlagen der Mathematik gelegt wurden in der Form eines Comics. Das hört sich jetzt nach einer wirklich uralten (Euklid, Pythagoras und die ganzen Griechen und so) und staubtrockenen (Mathe löst ja bei vielen schon einen Fluchtreflex aus) Geschichte an, ist aber weder das eine noch das andere. Denn genaugenommen war bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein die Mathematik mehr oder weniger auf Sand gebaut. Denn zum Beispiel war der Begriff "unendlich" nur so definiert, wie wir Physiker ihn noch heute gebrauchen -- eben als verdammt große Zahl. Und so sind die Grundlagen der Mathematik eine doch Recht neue Geschichte.

Auftritt Cantor: Cantor entwickelte gegen Ende des neunzehnten Jahrhundert die Mengentheorie. Wobei eine "Menge" eine in Cantors Worten wie folgt definiert ist:
Unter einer Menge verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten m unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die Elemente von M genannt werden) zu einem Ganzen.

Zwei Mengen haben nun die gleiche Anzahl von Elementen -- man spricht hier auch von "Mächtigkeit" -- wenn man jedem Element der einen Menge eindeutig ein Element der anderen Menge zuordnen kann. So gelang es Cantor zu zeigen, dass es verschiedene Arten von Unendlichkeit gibt. So hat zum Beispiel die Menge aller geraden Zahlen die gleiche Mächtigkeit wie die Menge aller ganzen Zahlen (Integer), da man jeder geraden Zahl ja eine ganze Zahl zuordnen kann -- zwei ist die erste gerade Zahl, vier die zweite und so weiter. Somit ist also die Menge der geraden Zahlen "abzählbar". Ist das nun schon alles? Nein, denn es gibt Mengen, die "überabzählbar" sind, also Mehr Elemente haben als die natürlichen Zahlen. Beispiel gefällig? Zum Beispiel alle reellen Zahlen zwischen 0 und 1. Das kann man einfach durch "reductio ad absurdum" beweisen. Sprich, wir zeigen, dass wenn wir die Aussage als wahr annehmen, in einen Widerspruch geraten. Nehmen wir also an, wir könnten also alle rellen Zahlen zwischen 0 und eins abzählen. So zum Beispiel: 0.234324324 ...-> 1, 0.483543859...-> 2, 0.7777777777... -> 3 und so weiter. Nehmen wir uns jetzt die Zahl vor, deren erste Ziffer um eins größer ist als die erste Ziffer der ersten Zahl, die zweite Ziffer um eins größer ist als die zweite Ziffer der zweiten Zahl usw., sprich 0.398... Haben wir diese Zahl schon gezählt? Nein, diese Zahl stimmt nie mit allen Ziffern der gezählten Zahlen überein. Daher muss es also mehr reelle Zahlen als natürliche Zahlen geben. Und damit war auch gezeigt, dass "unendlich ist eine verdammt große Zahl" nicht eine mathematisch Korrekte Definition ist.

Mit der Mengentheorie kommen wir auch zu Bertrand Russel, der so etwas wie die Hauptperson von Logicomix ist. Genaugenommen bildet ein von ihm gehaltener Vortrag, in dem er sowohl sein eigenes Leben als auch die Entwicklung der mathematischen Grundlagen betrachtet, den Rahmen der ganzen Geschichte. Der Comic folgt ihm bei seinen Besuchen bei Cantor und Frege (einem anderen Grundsteinleger der Mathematik) und seinen eigenen Forschungen dazu. Denn die Mengenlehre half zwar, genau zu definieren, was unendlich bedeutet, doch ein neues Problem wurde durch Russel entdeckt: Russels Paradox. Denn nach dem damaligen Stand der Dinge, gerät man in Widersprüche, wenn man die Menge aller Mengen betrachtet, die sich nicht selbst enthalten. Denn diese Menge müßte sich ja dann auch selbst enthalten. Autsch, da scheint etwas nicht zu stimmen. Russels Beitrag zur Mathematik bestand nun darin, diesen Widerspruch zu lösen und in ungefähr vierhundert Seiten der "Principia Mathematica" zu beweisen, dass 1+1=2 ist. Das aber sauber und logisch konsistent.

Logicomix und auch die Entdeckung der Grundlagen der Mathematik schließen mit Kurt Gödel, der 1935 seinen "Unvollständigkeitssatz" bewies. Anfang des Jahrhunderts hatte David Hilbert noch vorgeschlagen, dass man die Widerspruchsfreiheit logischer Systeme beweisen sollte. Sprich, zu beweisen, dass es man rein hypothetisch jede Aussage beweisen oder wiederlegen kann. Doch Gödel konnte nun zeigen, dass jedes System von Axiomen (Grundannahmen) Aussagen zuläßt, die weder bewiesen noch wiederlegt werde können.

Nun, um zu einem Schluss zu kommen: Ich fand Logicomix richtig unterhaltsam und habe vielleicht noch das ein oder andere (wieder)gelernt. Auf jeden Fall erfährt man einiges über Mathematik und diejenigen, die selbige betreiben. Und da es ja ein Comic ist, ist es einfach zu lesen. Leider zu einfach, denn ein knapper Nachmittag reicht um einmal Logicomix durchzulesen.
Und für mathematische Laien, die bis hierher gekommen sind: Es ist sicherlich kein Fachbuch -- dennn DAS wäre sicherlich revolutionär, ein Fachbuch in comicform.
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Apostolos Doxiadis, Christos Papadimitriou, Alecos Papadatos, Anni de Donna: Logicomix, Bloomsbury Publishing

www.logicomix.com

Montag, 1. März 2010

Sachen gibt's

Mir war gerade langweilig, und was macht man da? Man guckt mal ein bisschen bei Wikipedia rum. Da findet sich ja bekanntlich allerhand Trivia. So zum Beispiel beim Eintrag (in der englischen Wikipedia) für Pretzel:
2003: Pennsylvania Governor Ed Rendell declares April 26 National
Pretzel Day to acknowledge the importance of the pretzel to the
state's history and economy.
Ich habe ja schon immer geahnt, dass mein Geburtstag eines Tages zum Feiertag erklärt wird. Aber dass es tatsächlich schon geschehen ist, war mir neu. Und natürlich haben sie meinen Nachnamen falsch geschrieben. Es sollte natürlich "National Bretzel Day" und nicht "National Pretzel Day" heissen. Und ausserdem sollte es ja sicherlich heissen "...to acknowledge the importance of the Bretzels" ;-)

Sonntag, 21. Februar 2010

Zu "Schön" um wahr zu sein

Im Wintersemester 2002/2003 hörte ich Festkörperphysik bei Prof. Bucher in Konstanz. Prof. Bucher war damals das wohl prominenteste Mitglied des Fachbereichs Physik, mit etlichen Weltrekorden auf dem Gebiet der Solarzellenentwicklung. Leider lief ihm damals einer seiner ehemaligen Doktoranden -- Jan Hendrik Schön -- als berühmtester Physiker mit Konstanz-Connection den Rang ab. Und das war nicht gut, denn Schön wurde dadurch prominent, dass er -- um ein sehr stark strapaziertes Wortspiel zu benutzen -- Daten geschönt hatte. Immerhin brachte es ihm so eine Prominenz ein, dass es jetzt sogar ein Buch über den von ihm verursachten Forschunsskandal gibt (Eugenie Samuel Reich: Plastic Fantastic).

Schön promovierte 1997 in Konstanz und wechselte dann zu den Bell Labs in New Jersey. Die Bell Labs haben (vielleicht muss man eher sagen "hatten") einen beinahe mysthischen Ruf: So wurde dort zum Beispiel die Radioastronomie begründet (Jansky, 1932), der Transistor entwickelt (Shockley, 1947) und die kosmische Hintergrundstrahlung entdeckt (Arno und Penzias, 1962). Also kurz: ein großartiger Schritt für einen frisch gebackenen Doktor der Physik. Jedoch waren die Bell Labs Ende der neunziger, Anfang der 2000er Jahre in einer tiefen Krise, nachdem sie erst von AT&T an Lucent verkauft, dann weiter aufgespalten wurden und die Grundlagenforschung mehr und mehr zurückgefahren wurde.

Es ist schwer zunächst schwer zu begreifen, wie es Schön gelang nicht nur die Fachwelt, sondern selbst seine Koautoren hinters Licht zu führen. Aber im Laufe des Buchs wird es einem klar, dass Schön geschickt Lücken nutzte und eben Ergebnisse lieferte, die einfach erstklassig zu sein schienen. Ich kann mir gut vorstellen, dass seine Vorgesetzten bei den Bell Labs jede Meldung liebend für ihre Zwecke nutzten -- um eben in wirtschaftlich schweren Zeiten weiterhin die Grundlagenforschung zu rechtfertigen. Auch nutzte Schön weiterhin Ausrüstung in Konstanz, um einen entscheidenden Bearbeitungsschritt durchzuführen (das Aufbringen der elektrischen Kontakte auf die Kunststoffkristalle, die er untersuchte) . Auf jeden Fall hatten seine Aktivitäten in Konstanz den netten Nebeneffekt, dass er dort ungestört arbeiten konnte -- oder besser gesagt fälschen konnte, denn der in Konstanz durchgeführte Bearbeitungsschritt stellte sich als fiktiv heraus. Denn offiziell war er ja nicht mehr Mitglied am Lehrstuhl Bucher noch arbeitete er an relevanten Fragen für diesen. Und da seine Mitautoren in New Jersey in den Bell Labs sassen, war auch die Wahrscheinlichkeit gering, dass einer von ihnen mal vorbeischauen würde -- "show me how it works, buddy". Kurz gesagt, eine ideale Konstellation um Forschung zu fälschen.

Schön's Fehlverhalten wurde -- wie so oft bei unehrlichem Verhalten -- durch eine gute Mischung von Übertreibung und Nachlässigkeit von Seiten Schöns bemerkt. Zum einen veröffentlichte er bis zu sieben (!) Artikel im Monat -- größtenteils in den sehr angesehen Zeitschriften Nature und Science --, zum anderen beging er offensichtliche Nachlässigkeitsfehler bei seinen Fälschungen, z.B. benutzte nicht zutreffende theoretische Modelle um seine "Meßdaten" zu fabrizieren oder nutzte die gleichen Messwerte für total verschiedene Experimente. Also Dinge, die einfach den Experten früher oder später auffallen mussten.

Leider, aber das geht wohl nicht anders da natürlich Schön für dieses Buch nicht zur Verfügung stand, erfährt man relativ wenig über ihn und seine Gedanken und Motive. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass er darauf spekulierte, dass seine Ergebnisse von anderen reproduziert würden und er quasi als Pionier eines Fachgebiets in die Geschichte eingehen würde. Doch muss ihm aber auch von Anfang an klar gewesen sein, welche Risiken sein Verhalten trägt. Von den schlaflosen Nächten, die ich wegen meiner (ehrlichen!) Forschungsarbeit habe, gehe ich davon aus, dass er unter enormen Stress gestanden haben muss -- wenn zu den üblichen Sorgen ("Macht es Sinn, was ich mache?", "Hat das schon jemand gemacht?" etc. etc.) noch die Angst vor der Aufdeckung hinzukommt.

Das schlimmste an Forschungsskandalen ist meiner Meinung nach nicht das Verbreiten falscher Resultate, denn das wird früher oder später -- wenn sich die Experimente nicht reproduzieren lassen -- aufgedeckt, sondern darin, dass wissentlich die Karrieren von anderen Wissenschaftler geschadet wird. Denn Fälschungen wie die von Schön führen dazu, dass etliche Doktoranden buchstäblich Jahre darauf verwenden, Ergebnisse zu reproduzieren, die es noch nie gab. Mit allen Konsequenzen wie Frustration, wenigen Publikationen und so weiter.

Was noch ganz nett an Reich's Buch war, ist dass etliche Leute darin auftauchen, die ich kenne. Neben Prof. Bucher noch Prof. Dieterich in Konstanz(er leitete die Konstanzer Untersuchungskommission, ich habe bei ihm meine Diplomprüfung abgelegt) sowie Leo Kouwenhoven und Teun Klapwijk in Delft. Und Schön? Das letzte mal war er in den Nachrichten, als die Universität Konstanz letzten Herbst beschloss, ihm endgültig den Doktortitel abzuerkennen -- nicht, weil er bei seiner Doktorarbeit schon gefälscht hatte, sondern weil er sich des Tragens des Titels als unwürdig erwiesen hat. Und das hat er in der Tat.
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Eugenie Samuel Reich: Plastic Fantastic -- How the biggest fraud in physics
shook the scientific work

Oder auch: Andrea Neica-Loebell, Schön die Wissenschaft zum Narren gehalten, Telepolis (2002)

Donnerstag, 4. Februar 2010

Eine Delfter Erfindung

Es gibt Erfindungen, die wohl nur in gewissen Ländern gemacht werden können. Denn woanders würde die Idee wohl als totale Rotzidee der Selbstzensur zum Opfer fallen. Wie zum Beispiel diese Erfindung, die wohl nur in den Niederlanden gemacht werden konnte:

Ein Frachtfahrrad (siehe auch vrachtfiets.nl), mit dem man seinen Möbeleinkauf nach Hause fahren kann. Denn was machen die Leute, die Umziehen wollen aber weder einen Führerschein noch Freunde mit einem selbigen haben? Das war wohl die Ursprungsfrage, die zu dieser praktischen aber doch sehr niederländischen Erfindung zweier Industriedesign-Studenten meiner Uni geführt haben muss.

Donnerstag, 28. Januar 2010

Eine Illustration des Dunning-Kruger-Effekts

Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt die Tatsache, dass sich inkompetente Menschen in der Regel über- und die Fähigkeiten kompetenter Menschen unterschätzen. Dunning und Kruger hatten bei Studien festgestellt, dass zum Beispiel beim Erfassen von Texten Unwissenheit zu mehr Selbstvertrauen führt als Wissen. Diese Erkenntnis war so bahnbrechend, dass es im Jahr 2000 hierfür den Ig-Nobelpreis gab. Fairerweise sollte man den diesjährigen Ig-Nobelpreis dann an Günther Oettinger verleihen, da er eindrucksvoll illustriert, wie seine Selbsteinschätzung gut Englisch zu sprechen, in keinster Weise mit der Realität übereinstimmt:



Also wenn das gutes Englisch war, dann bin ich Shakespeare und hätte jährlich mindestens einen Pulitzer- sowie Literaturnobelpreis für meine Verdienste um die englische Sprache verdient.

In my younger and more vulnerable days, my English teacher gave me some good advice, I've been carrying around with me ever since: "It's a long way", he said, "so start walking." The same advice I would like to give our Inglischschbieking Minischterpräsident. But instead of walking, better take a space ship with warp drive. 'cause it is a really long way for you.

Montag, 11. Januar 2010

Schnee und Eis -- sneeuw en ijs

Der Winter hat Europa ja im Moment auch fest im Griff -- auch die Niederlande. Seit der Woche vor Weihnachten liegt hier Schnee, eigentlich etwas total ungewöhnliches. Denn normalerweise (wenn ich jetzt mal von den letzten beiden Wintern als "normal" ausgehen darf) fallen hier die Temperaturen nicht unter den Gefrierpunkt. Und jetzt: Schnee und Eis, das volle Programm. Und da hier niemand wirklich darauf vorbereitet war, eben auch Chaos -- ein Kollege von mir, Toni, kam drei Tage später zu Hause in Spanien an als geplant.

Aber so eine Stadt in Schnee und Eis ist trotzdem viel schöner als die Alternative -- Delft im Dauernieselregen. Beispiel gefällig? Guckst du hier:




Das ist übrigens die Delftse Schie, bei mir um die Ecke. Und natürlich, da es jetzt ordentlich kalt ist, können die Holländer auch ihrem anderen nationale Hobby fröhnen, dem Eislaufen (das andere wäre ja halsbrecherisch auf Fahrrädern rumkurven):

Montag, 4. Januar 2010

Der grosse Bahnfahren-Jahresrückblick

Nachdem jetzt schon wochenlang auf jedem Fernsehsender jahresgerückblickt wurde, hier mein ultimativer Jahresrückblick in Sachen Eisenbahnfahrten. Zwar liebe ich es, mit per Eisenbahn zu reisen. Egal. Was. Passiert. Aber: Sowohl Deutsche Bahn als auch NS (die holländische Bahn) haben ihr möglichstest getan, dies zu ändern.

Also, hier zu meiner kleinen, privaten, Bahnstatistik für das Jahr 2009:

  • 6 -- Anzahl der Fahrten von Friedrichshafen nach Delft.

  • 5 -- Anzahl der Fahrten von Delft nach Friedrichshafen (einmal bin ich geradelt).

  • 1 gravierendes Problem mit den Bremsen im ICE und daher nette 45 Minuten Aussicht auf Bahnsteig 4 in Köln ("Wir booten den Bordcomputer neu") sowie eine halbe Stunde Aussicht auf Düsseldorf Hauptbahnhof bis wir dann in Arnhem endgültig liegen blieben.

  • 1 ausgefallene Heizung im Zug am kältesten Tag des Jahres -- als Kind war ich davon fasziniert, dass es bei der Bahn auch Kühlwagen für Frischwaren gibt. Jetzt weiss ich, dass es ziemlich Scheisse ist, in einem selbigen zu sitzen.

  • 1 laufende und nicht abschaltbare Heizung im Zug am wärmsten Tag des Jahres -- wozu in die Sauna, wenn man auch Bahnfahren kann?

  • 2 Brezelfrühstücke um sechs Uhr morgens in Ulm -- denn der Nachtzug aus Amsterdam hat wohl immer mindestens zehn Minuten Verspätung.

  • 1 extra Nacht zu Hause bei meinen Eltern -- denn wer hätte gedacht, dass man schon zwischen Friedrichshafen und Ravensburg zehn Minuten Verspätung einfahren kann (und daher verpasste letzte Verbindung nach Holland)?

  • 3: Zahl der ICE International, die unvorgesehenerweise nicht in Amsterdam sondern schon in Köln endeten (gut, netterweise Stand meistens ziemlich schnell ein Ersatzzug für die Weiterfahrt bereit).

  • 2 virtuelle Sitzreservierungen -- Reservierungen für Sitze, die in Zughälften waren, die schlussendlich doch nicht fuhren. Und daher: Ein exklusiver Stehplatz von Frankfurt nach Stuttgart.

  • 1 zufällig wiedergetroffene ehemalige Mitbewohnerin -- im ICE von Stuttgart nach Ulm.

  • gefühlte 334 mal: "Sänk ju vorr träwelling wiss Deutsche Bahn"

  • 1 Erkenntnis, dass man eine Radreservierung für den Fernverkehr mindestens drei Tage im Voraus lösen muss (sonst bleibt das Rad zu Hause. Egal. Wie. Sehr. Man. Auch. Bettelt.).

  • ungefähr 50 mal: "Volgens een technische storing tussen Dordrecht en Rotterdam rijden minder trainen" -- komischerweise passieren diese technischen Probleme immer zwischen Dordrecht und Rotterdam, und das circa einmal in der Woche. Die Folge: Die Fahrt ins Fitnessstudio nach Den Haag kann dann schon mal eine dreiviertel Stunde dauern (normal sind zehn Minuten).



Das war er also, der grosse Bahnfahren-Jahresrückblick. Doch auch 2010 scheint schon auf dem besten Wege zu sein, ähnliche Überraschungen wie letztes Jahr bereitzuhalten. Die bisherige Bilanz für 2010: Einmal Friedrichshafen-Delft inklusive unplanmäßiger Zugwechsel in Köln und eine dreiviertel Stunde Verspätung bei der Ankunft in Delft. Doch damit 2010 ein ähnlicher Spitzenjahrgang wie 2009 wird, muss noch mindestens eine schicke Dreistunden-Verspätung drinsein. Sonst wird das nichts.

Und ach ja: "Sänk ju vorr rieding sis adikkel."